Immer wieder wird über Ursache verminderten Cortisols bei Burn-Out und Chronic Fatigue Syndrom (CFS) berichtet. In der Tat findet man in vielen Fällen eine Verminderung des Cortisol-Spiegels im Speichel.

Dies wird vor allem in USA oft als „Adrenal fatigue“ („Nebennieren-Rinden-[NNR]-Erschöpfung“ ) oder „Adrenal Insufficiency“
(Nebennieren-Rinden[NNR]-Insuffizienz ) bezeichnet.

Die Gabe von Cortison-Präparaten ist vielfach die reflexartige Folge, meines Erachtens eine höchst fragwürdige Maßnahme, deren Erfolg nicht belegt ist. Durch Cortisongabe wird vielmehr die körpereigene Cortisol-Produktion zusätzlich gehemmt.

Vieles spricht dafür, dass in diesen Fällen eine Störung der zentralen NNR-Regulation besteht, also der sog. Hypothalamus-Hypophysen-Vorderlappen-(HVL)-NNR-Achse.

Diese Annahme stützt sich im Wesentlichen auf folgende Beobachtungen:

  • Nicht nur die Cortisol-Bildung in der Nebenniere auch die Bildung des Steuerungshormons ACTH in der Hypophyse ist reduziert. Bei einer NNR-Erschöpfung müsste diese jedoch  gegenregulatorisch gefunden werden, was nicht der Fall ist ( Gaab, 2002 , Pruessner, 1999 ).
  • Durch Steigerung der zentralen Bildung von Noradrenalin wird die Aktivität des Regulationszentrums (Hypothalamus) der Hypophysen-Nebennieren-Achse wieder normalisiert und wieder vermehrt ACTH und Cortisol gebildet. Danach ist die Senkung der Cortisol-Produktion eine Folge der eingeschränkten zentralen Steuerung und nicht der „Insuffizienz“ des Zielorgans, also der Nebenniere.
  • Wenn man die Nebenniere künstlich stimuliert – z.b. durch Gabe des Hypopyhsenhormons ACTH – reagiert die Nebenniere bei Burnout- und CFS-Betroffenen meist normal (van den Eede, 2004; Tanriverdi, 2007)

Die Konsequenz aus dieser Schlussfolgerung ist eine differenzierte Betrachtung und Bewertung der Situation bei Burn-out und CFS-Patienten.

Im Vordergrund sollte meines Erachtens die Normalisierung der zentralen Neurotransmitter-Balance stehen, während die Gabe von Cortisol geradezu kontraproduktiv sein kann ( Ben-Zwi, 2009 ).

Für die Verbesserung der Versorgung des zentralen Nervensystems mit Noradrenalin kann man auf bewährte Rezepte zurückgreifen, wie Gabe der Aminosäure-Vorstufen von Noradrenalin wie Phenylalanin, Tyrosin, DOPA (z.B. in Mucuna pruriens) zusammen mit Enzym-Kofaktoren (bestimmte B-Vitamine und Vitamin C) sowie sog. Neuro-Modulatoren, die die Wirksamkeit von Noradrenalin verstärken können.

Sollten Sie Fragen oder Kommentare zu diesem Thema haben, können Sie mir gerne eine ein e-mail schreiben (praxis@dr-bieger.de) oder einen persönlichen Gesprächstermin in meiner Praxis vereinbaren unter Tel: 089 543217-0.

Abkürzungen:

CFS = Chronic Fatigue Syndrom

NNR = Nebennieren-Rinde

HVL = Hypophysen–Vorderlappen

ACTH = Adreno-Corticotropes Hormon

DOPA = auch L-DOPA (Levodopa), ist die Abkürzung für L-3,4-Dihydroxyphenylalanin, eine Amionosäure-Vorstufe von Noradrenalin.

Literatur:

1. Ben-Zvi   A, Broderick G.
Model-Based Therapeutic Correction of Hypothalamic-Pituitary-Adrenal Axis Dysfunction.
PLOs Comp Biol 2009; 5(1): 1-9

2. Gaab J, et al.
Hypothalamic -pituitary-adrenal axis reactivity in chronic fatigue syndrome and health under psychological, physiological, and
pharmacological stimulation.

Psychosom Med 2002; 64(6): 951-62

3. Pruessner JC, Hellhammer DH, Kirschbaum CV.
Burnout, Perceived Stress, and Cortisol Responses to Awakening .
Psychosomatic Medicine 1999; 61: 197–204

4.  Tanriverdi F, Karaca Z, Unluhizarci Z, Kelestimur F.
The hypothalamo–pituitary–adrenal axis in chronic fatigue syndrome and fibromyalgia syndrome
Stress 2007; 10(1): 13–25

5. van den Eede F, Moorkens G, Hulstijn W, Van Houdenhove B, Cosyns P, Sabbe BGC, Claes SJ.
The HPA axis and the genesis of chronic fatigue syndrome.
Endocrinol Metab 2004; 15(2): 55-9